Die Ausstellung
„200 Jahre Ermitage in Arlesheim" im Heimatmuseum Trotte hat erneut auf
das Buch Wolfram von Eschenbach und die
Wirklichkeit des Grals * von Werner Greub aufmerksam gemacht. Wie kommt der
Autor dazu, die Arlesheimer Ermitage-Gegend als das zentrale Gralsgebiet
"Terre de Salvaesche" aus Wolframs Parzival zu bezeichnen? Und warum
gerade das 9. Jahrhundert als historischer Hintergrund? Nun, wer eine
erschöpfende Antwort darauf haben
möchte, der möge das Werk Greubs selber zu Rate ziehen. Hier soll lediglich
anhand eines Stiches von G.F. Gmelin «Entree de la Solitude romantique
d'Arlesheim» (1789) beispielhaft gezeigt werden, wie die Gralstätten in
Arlesheim gefunden wurden. Ferner geben wir hier mit freundlicher Genehmigung
der Trotte-Kommission einen Text von Robert J. Kelder «Die Ermitage als
Gralsgebiet» wieder, der (ohne die Anmerkungen) in der oben genannten
Ausstellung aufgestellt wurde.
Entrée de la
Solitude romantique d'Arlesheim – Wolframs "Fontane La Salvatsche"
Arlesheim, Ostern 848
An einem
eiskalten Karfreitag – nach den Berechnungen Greubs auf Grund der
astronomischen Angaben Wolframs in «Parzival» war es am 23. März 848 – reitet Parzival durch den Wald Brizljân gegen
Fontâne la salvâtsche. An diesem Felsentoreingang zum Wald Soltane in Terre de
Salvaesche wird er von einem frommen Einsiedler willkommen geheißen. Es ist
Trevrizent, der vor dem Felsentor steht. Wolfram sagt hier (P. 458, 26 ff.):
dem wirte wart der zoum verlán.
der zóch das ors under stein,
dâ selten sunne hin erschein:
daz was ein wilder marstal:
dá durch gienc eins brunnen val.
Dem Gastgeber wurde der Zaum überlassen.
Der führte das Pferd unter die Felswand,
wo die Sonne selten hineinschien:
Hier war ein natürlicher Pferdestall.
durchflossen von einem Felsenquell.
Dem Gastgeber wurde der Zaum überlassen.
Der führte das Pferd unter die Felswand,
wo die Sonne selten hineinschien:
Hier war ein natürlicher Pferdestall.
durchflossen von einem Felsenquell.
Veranlasst durch
eine mündliche Äußerung Rudolf Steiners, die Parzival-Trevrizent-Szene in der
Ermitage zu suchen, hat Greub nach reichlichem Abwägen aller Gegebenheiten den
von Gmelin gestochenen "Haupteingang zur Ermitage» als Wolframs
"Fontâne la salvâtsche" identifiziert. Der anscheinend im Mittelalter
oder schon früher angelegte und 1789 noch fließende Felsenquell ist links oben
im Bild deutlich zu sehen. In diesem «wilden Marstall» scheint tatsächlich die
Sonne nur selten: in den drei Wintermonaten gegen Abend. Auch der frühere Name
«Solitude» für die Ermitage war für Greub aufschlussreich: Solitude = Soltane.
Die Lokalisierung von Fontâne la salvâtsche passte außerdem lückenlos in den
Gesamtzusammenhang der Parzival-Handlung. Sigune z.B. wohnt oberhalb des
Fontâne la salvâtsche in einer Einsiedlerklause (am Ort der jetzigen Klause des
Waldbruders), durch welche der gleiche Wildquell plätscherte (P. 435, 8), der
den Felsentoreingang weiter unten durchfloß. Hier unten bindet ja auch Cundrie
ihr Maultier fest, wenn sie samstags Sigune das Essen aus der Gralsburg (auf
dem Hornichopf) bringt (P. 442,19-20):
immer swenn si kumt,
ihr mûl dort stet,
da der brunne ûzem velse gêt.
Wenn immer sie kommt,
lässt sie ihr Maultier dort stehen,
wo der Brunnen aus dem Felsen geht.
Wenn immer sie kommt,
lässt sie ihr Maultier dort stehen,
wo der Brunnen aus dem Felsen geht.
Parzival bleibt
über Ostern bei Trevrizent (in der Grabes- und Auferstehungsgrotte an der
östlichen Seite des Schlosshügels Birseck) und wird während dieser Zeit von dem
frommen Einsiedler in das Mysterium der Menschwerdung Christi und in die Geheimnisse
des Grals eingeweiht.
Am 7. April 848
verabschiedet sich Parzival von Trevrizent und reitet wieder in die Welt
hinaus.
* Herausgegeben vom Goetheanum im
Philosophisch-Anthroposophischen Verlag, Dornach 1974, 482 S.
Die
Ermitage als Gralsgebiet
Arlesheim besitzt
eine über tausendjährige Mysterientradition. Denn die keltischen Druiden,
Odilie und das Iro-schottische Christentum, die Grals- und Artusritter, die
Gottesfreunde, Rosenkreuzer und Freimaurer haben alle ihre Spuren in der
Ermitage hinterlassen, wie dies ja Hermann Jülich in seinem Büchlein Arlesheim und Odilie beschrieben hat.
Die Bezeichnung
"Gralsgebiet" für diese langjährige Mysterientradition Arlesheims
wird zum Erlebnis, wenn man mit dem Gralsforscher Rudolf Steiner (1) unter dem "Heiligen
Gral" alles dasjenige zu verstehen versucht, was mit der christlichen
Erneuerung des seit dem 4. Jahrhundert im Abendland wiederauftauchenden
morgenländischen Mysterienwesens zusammenhängt (2). Dann gewinnt auch die
Vermutung, dass der römische Kaiser Julianus, Urheber der Wasseranlagen und
Felsenaushölungen, zwecks Errichtung einer Mysterienstätte in der Ermitage
gewesen ist, an Substanz, denn Julianus, der sich um die Mitte des 4.
Jahrhunderts einige Zeit in Kaiseraugst aufgehalten hat, war leidenschaftlich
bestrebt, überall die heidnischen Mysterien mit dem sonnenhaften Christentum zu
verbinden (3).
Im allgemeinen
wird nun angenommen – wenn man überhaupt dem Gralsgeschehen eine irdische
Realität zubilligt –, dass das von Wolfram von Eschenbach in seinem Gralsepos
Parzival beschriebene Gralsgebiet Terre
de Salvaesche sich in den Pyrenäen befindet (Montségur), wo die zentralen
Gralsereignisse im 12. Jahrhundert stattgefunden haben sollen (4). Mündlich
überlieferte Angaben Rudolf Steiners deuten andererseits in Richtung Arlesheim
und das 9. Jahrhundert (5). Da aber keine ausschlaggebenden Dokumente bekannt
waren, blieb diese Frage unentschieden.
Seitdem hat sich
jedoch diese Lage mit dem Erscheinen des Werkes Wolfram von Eschenbach und die Wirklichkeit des Grals von Werner
Greub (6) merklich geändert. Denn mit diesem Forschungsbericht hat Greub
aufgrund eines sorgfältigen Vergleichs des Urtextes vom Parzival mit der
geographischen Wirklichkeit von Arlesheim, und durch zahlreiche philologische,
astronomische und religionsgeschichtliche Betrachtungen versucht nachzuweisen,
was von Rudolf Steiner aus der rein anthroposophischen Geistesforschung
überliefert worden ist. Und auf dieser Grundlage stellt Greub der
interessierten Öffentlichkeit sein Forschungsergebnis zur Diskussion (7):
Die Arlesheimer Ermitage war im 9. Jahrhundert Terre de Salvaesche, das Zentrum der
damaligen Gralsereignisse.
Robert J. Kelder
Anmerkungen:
1. Rudolf Steiner hat sein die ganze
Anthroposophie in Umrissen enthaltenes Werk Die
Geheimwissenschaft in Umriss auch "Wissenschaft vom Gral"
genannt.
2. Rudolf Steiner, Die Mysterien des Morgenlandes und des Christentums, Dornach, 1960.
3. Die Vermutung entstammt einem noch nicht
veröffentlichten Manuskript von Werner Greub: Vom Gralschristentum zur Anthroposophie Rudolf Steiners. [Update:
Erst nach den Tod von Werner Greub im Jahre 1997 veröffentlicht als Vom Parzival zur Rudolf Steiners
Gralswissenschaft vom Gral im Jahre 2003 durch dessen Sohn Dr. Markus
Greub.]
4. Siehe z.B. Otto Rahn, Kreuzzug gegen den Gral (1.
Auflage 1933). In dem 1984 erschienenen Buch Der Heilige Gral und seine Erben von Lincoln, Baigent und Leigh
wird ohne Begründung behauptet (S. 44): "In Wolfram von Eschenbachs
Parzival heißt es, dass die Gralsburg in den Pyrenäen gelegen habe und
'Munsalvaesche' genannt worden sei."
5. Ilona Schubert in ihrem Büchlein Selbsterlebtes im Zusammensein mit Rudolf
Steiner und Marie Steiner (Basel, 1977) berichtet (S. 73), dass Rudolf
Steiner die ganze Gegend der Arlesheimer Ermitage als Gralsgebiet bezeichnet
habe, wo auch die "Schulung des Parzival durch Trevrizent stattgefunden
hat". Nach Rudolf Steiner gab es mehrere Gralsburgen. Eine weitere
Überlieferung Schuberts, wonach R. Steiner sagte, "dass die Gralsburg, wo
Titurel und Anfortas den Gral hüteten, in Nordspanien war und später auf dem
Montségur in Südostfrankreich", ist allerdings schwer in Einklang zu
bringen mit dem Standort der von Wolfram beschriebenen Gralsburg. Denn aus dem
ganzen Parzival-Text geht eindeutig hervor, dass sowohl Trevrizent als auch
Sigune in unmittelbarer Nähe der Gralsburg wohnten (z.B. «etwa eine Meile», P.
426,13). Wenn man, wie Greub, den Parzival nicht als ein Märchen, sondern als
ein wahrheitsgetreues geographisch-historisches Dokument betrachtet, kann also
Wolframs Munsalvaesche nicht in Spanien oder Südfrankreich gewesen sein,
sondern eben nur hier in Arlesheim. Siehe auch Emil Bock, Rudolf Steiner. Studien zu seinem Lebenswerk, Stuttgart, 1961, und
Walter J. Stein, Weltgeschichte im Lichte
des Heiligen Gral – Das neunte
Jahrhundert, Stuttgart, 1977.
No comments:
Post a Comment